Der „Pfad zum Frieden" beginnt im Kleinen

(aus: Schlaglichter Nr.54/02)

Wie jeder mit anpacken kann, die Welt ein Stück zu verändern

Wenn die Frage auftaucht, was das Pfadfindertum im Allgemeinen oder auch die DPSG im Besonderen ausmacht, so sind es etliche Punkte, die das Profil des Verbands bestimmen. Manche sind dabei in aller Munde, vor allem dann, wenn sie konkret und greifbar sind, wie etwa das Lernen durch Erfahren oder das Leiten im Team. Andere Erziehungsziele der DPSG, die schon von Baden Powell als sehr wichtig erachtet wurden, geraten dabei nicht selten in den Hintergrund. Was bedeutet schon „Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden", wie die Ordnung des Verbandes ein Kapitel überschreibt.

Hilflos müssen Pfadfinder ebenso wie Nichtpfadfinder täglich erleben, wie die Spirale der Gewalt eskaliert. Die Frage „Was können wir dagegen tun?" stellt sich schon fast automatisch ein und selbst bei „Kämpfernaturen" weicht die Hoffnung oft der Resignation: „Wie sollen ein paar Pfadfinder schon die Welt verbessern können?"

Unser Vorteil besteht vor allem darin, dass wir uns nicht allein bemühen. Der DPSG-Bundesverband hat das Thema „Einsatz für den Frieden" in ganz besonderer Weise in die diesjährige Jahresaktion integriert. „Pfad zum Frieden" heißt die Aktion, mit der in diesem Jahr Geld für israelische, palästinensische und jordanische Partnerverbände gesammelt wird.

Situation im Heiligen Land

Eigentlich müsste es fast selbstverständlich sein, dass es in einer Region, die den großen Religionen unserer Welt als heilig und unantastbar gilt, gelingt friedlich miteinander zu leben und respektvoll miteinander umzugehen. Doch gerade hier an den Nahtstellen von Kulturen und Religionen in Israel und Palästina muss die Sehnsucht von Menschen nach Frieden Tag für Tag herbe Niederlagen und Enttäuschungen erleiden.

Vielleicht ist es geradezu ein Gleichnis unserer Zeit, dass im sogenannten Heiligen Land unter den Augen aller Welt soviel Unheiliges geschieht. Es ist schon ernüchternd wie viele Bemühungen um Frieden, wie viele Anläufe um Verständigung und Ausgleich hier bereits gescheitert sind. Und die Frage ist berechtigt, wie viel Blut von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen noch fließen muss, bis Frieden möglich sein wird.

Wer Israel und Palästina schon einmal bereist hat, weiß um die Schätze dieses Landes, um die Schönheit der Erde dort, um die Schätze der menschlichen Kultur über viele Tausende von Jahren. Er weiß aber auch um die Geschichte dieser Region, um die Kämpfe um Land und um Wasser, die bis heute anhalten und den unseligen Nährboden der Gewalt bilden.

Egal ob Israeli oder Palästinenser die Gewalt hinterlässt Spuren in der persönlichen Biografie eines jeden beginnend mit dem frühesten Kindesalter.

Bitte um Unterstützung

Vor diesem Hintergrund bitten uns in diesem Jahr palästinensische Pfadfinder, um unsere Solidarität. Es geht darum, ihrer Sehnsucht nach Frieden eine Stimme zu verleihen und ihre Sehnsucht auch in Momenten der Resignation zu bestärken.

Der Einsatz für Frieden vor Ort in Israel und Palästina, die kleinen mühsamen Schritte die auf dem Friedensweg zu gehen sind, brauchen die Gewissheit, von anderen –auch vermeintlich Außenstehenden- wohlwollend begleitet zu werden. Das gibt Sicherheit auf dem richtigen Weg zu sein und Mut auf diesem Weg voranzuschreiten.

Gerade für junge Palästinenser bietet das Pfadfindersein Entwicklungsräume auf diesem Weg zum Frieden, bietet Räume gewaltfrei miteinander umzugehen und einander in der Sehnsucht nach Frieden zu bestärken.

Der Erlös der Jahresaktion fließt dabei unseren drei Partnerverbänden in Israel, Palästina und Jordanien direkt zu. Damit soll trotz der schwierigen politischen Lage und Lebensverhältnisse Pfadfinderarbeit vor Ort ermöglicht werden, insbesondere durch die Ausbildung von Leiter und der Erstellung von Pfadfinderliteratur in arabischer Sprache. Darüber hinaus werden Sozialprojekte in Israel, Palästina und Jordanien gefördert und sind internationale Begegnungen geplant.

Im Kleinen beginnen

Dass mit dem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden allerdings weit mehr gemeint ist, als das bloße Geld sammeln oder die Bekämpfung schon bestehender Krisenherde, wird sowohl in der Ordnung des Verbandes als auch in Zitaten von Baden Powell deutlich. Durch gelungene Gruppenarbeit kann die Erziehung zum friedlichen Miteinander grundlegender verwirklicht werden als durch kurzfristige Aktionen. Recht konkret sind dazu einige der Punkte, die in der Ordnung aufgeführt sind. Pfadfinder wollen sich „für ein partnerschaftliches Zusammenleben der Menschen in unserem Lebensumfeld einsetzen", heißt es da unter anderem. Wir Pfadfinder sind also gefragt, wenn Menschen in unserem Umfeld aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder einer anderen Eigenschaft diskriminiert werden.

Auch darüber, wie Pfadfinder solche Auseinandersetzungen mit Gewinn führen können, steht etwas in der Ordnung, nämlich Konflikte fair austragen und gewaltfrei handeln. Gerade hier bietet die Gruppenstunde ein Lernfeld, wie es junge Menschen sonst kaum vorfinden. Hier können Kinder und Jugendliche lernen, gemeinsam und selbstbewusst zu leben, Gemeinschaft zu gestalten, mit unterschiedlichen Meinungen und Konflikten zu leben und nach gemeinsam gangbaren Wegen zu suchen.

Konflikte konstruktiv lösen

Warum nicht einmal in der Gruppenstunde einen Streit thematisieren, beide Seiten zu Wort kommen lassen, versuchen, einen Kompromiss oder gar Konsens zu finden. Wenn schon ganz junge Menschen Auseinandersetzungen als Chance begreifen lernen, werden sie auch später Konflikte konstruktiv lösen, anstatt zu einer Form von psychischer oder physischer Gewalt zurückzugreifen. Dann werden sie das, was sie im „Schutzfeld" der Gruppenstunde gelernt haben, auch im alltäglichen Leben einsetzen können. An vielen Schulen werden sogenannte Streitschlichter-Programme gestartet, um das soziale Miteinander zu verbessern. Die Erfahrungen, die Pfadfinder in Gruppenstunden machen, nämlich konstruktiv zu streiten und nach sinnvollen Lösungswegen zu suchen, sind hier Gold wert.

Der Frieden ist oft auch dort gefährdet, wo Fremdes aufeinander prallt, wo Kulturen, Religionen oder Lebenseinstellungen unterschiedlichster Art unvereinbar scheinen. Auch hier kann von Klein auf die Angst vor dem Fremden genommen werden. Wie kaum ein anderer Verband, können die Pfadfinder auf internationale Strukturen zurückgreifen und Begegnungen von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion oder Kultur fördern. Wer einmal das Flair eines internationalen Lagers genossen oder Freunde aus anderen Ländern gefunden hat, wird nicht mehr voller Vorurteile und Ängsten dem Anderen gegenüber stehen. Menschenrechte, allen voran die Würde jedes Menschen, werden dann mehr als Sonderrechte für eine Nation sein, sondern unantastbar für alle gelten. Ein Wölfling wird zwar nicht von der Würde sprechen, dennoch wird er schnell erfahren, dass der dunkelhäutige Wölfling vielleicht gar nicht so anders ist, als er gedacht hat – eben ein Junge oder Mädchen wie du und ich.

Positionen entwickeln

Dass in den Jugendstufen gerade auch in Truppstunden oder Roverrunden komplexere Themen angeschnitten werden können, versteht sich fast von selbst. Die Ordnung beschreibt die besondere Rolle von deutschen Pfadfindern so: „[Wir wollen] uns der nationalen Vergangenheit erinnern und die daraus erwachsende Verantwortung für Gegenwart und Zukunft erkennen". Was in jungen Jahren einfach gelebt wurde, soll im Jugendalter zu grundsätzlichen Positionen führen – für ein friedliches, gewaltloses Miteinander: dass es nicht erst zu Kleinkriegen kommen muss, sondern Konflikte konstruktiv gelöst werden können.

Dass Friedensarbeit im Kleinen anfangen muss, wusste auch schon Baden-Powell. Er schreibt: „Die Abschaffung der Armeen führt ebenso wenig zur Abschaffung des Krieges wie die Abschaffung der Polizei zur Abschaffung des Verbrechens. Wir müssen die Ursache des Krieges abschaffen; Armeen sind eher die Wirkung, das heißt das Resultat aus Furcht und Kampfgeist. Und das ist Erziehungssache." Und ob wir wollen oder nicht, als Gruppenleiter erziehen wir unsere Gruppenkinder mit. Gehen wir also mit guten Beispiel voran, was die Lösung von Konflikten betrifft, schaffen wir im Kleinen Frieden und verhindern Gewalt.

Wo wir selbst nicht agieren können oder wo der Konflikt schon zur kriegerischen Auseinandersetzung angewachsen ist, können wir zumindest Zeichen setzen; zeigen, dass wir an Menschen denken, die in wenig friedlichen Zeiten leben. Viele haben das mit ihrer Beteiligung an der Aktion „Friedenslicht" getan. Und je mehr sich aktiv für ein friedvolles Miteinander einsetzen, desto eher kann die Welt ein kleines Stück verändert werden. Wagt den Frieden! Jetzt!

Markus Konrad & Marcus Ohl, MdR

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