Ein Besuch bei Freunden(aus: Schlaglichter Nr.49/00) Begegnung mit einer anderen RealitätSeit 1990 besteht zwischen dem Diözesanverband Mainz der DPSG und der Asociaón de Scouts de Bolivia (ASB), Distrikt Chuquisaca, eine offizielle Partnerschaft. Seit 1989 gibt es regelmäßige Begegnungsfahrten von Mitgliedern der DPSG und der ASB im Wechsel alle zwei Jahre in Deutschland oder in Bolivien. Im Jahr 2000 fand wieder eine Fahrt nach Bolivien statt. Nach vier umfangreichen Vorbereitungswochenenden von Januar bis Juli war es am 15. Juli endlich soweit: Treffen 7:30 am "Meeting Point" im Frankfurter Flughafen. Am Abend vorher hatten wir bei Karl-Heinz in Dreieich die offizielle Verabschiedung mit einem Wortgottesdienst gemacht und uns jetzt am Flughafen eingefunden. Alle 12 Teilnehmer, Sabine Eberle (Sdl. Don Bosco, Mainz), Michael Helisch (Stamm Rüsselsheim), Florian Ries (Stamm Budenheim), Michael Schmitt (Stamm Heppenheim), Martin Schnaubelt (Stamm Langgöns), Karl Heinrich Stein (Diözesankurat), Graham Tappenden (Stamm Rüsselsheim), Susanne Walter (Stamm Arheilgen, Darmstadt), Albrecht Weil (Siedlung Don Bosco, Mainz), Tonny Ursprung und Armin Ursprung (Stamm Altenstadt) und Michael Hommel (Referent für Entwicklungsfragen und Bolivienpartnerschaft) waren pünktlich erschienen und konnten direkt erleben, was es heißt zu improvisieren. Das Gastgeschenk - eine Jurte und einige andere Sachen - waren von Christoph Menzel, unserem Bildungsreferenten, in 2 Alukisten verstaut worden. Direkt beim Einchecken führten die Kisten zu Problemen, da uns mitgeteilt wurde, dass es für Bolivien ein Boxenembargo gebe und wir Koffer kaufen müssten. Dies wurde uns erst gesagt, nachdem die erste Kiste bereits auf dem Weg war und nicht mehr aufgehalten werden konnte, was sich später als Glücksfall erwies. Kerstin Fuchs, unsere Diözesanvorsitzende, und Christoph zogen los, um noch schnell ein paar "äußerst preisgünstige" Koffer zu kaufen. Nachdem wir umgepackt hatten, konnten wir dann alles aufgeben und unser Gepäck kam in Bolivien auch an. Der Flug ging über die Staaten nach Santa Cruz und dort kamen wir morgens um 8:00 Uhr an. Allerdings wartete dort auf uns die nächste Überraschung. Nachdem wir das Gepäck durch den Zoll gebracht hatten, teilte uns die Lloyd-Aero Boliviano mit, dass wir nicht mehr auf dem Inlandsflug nach Sucre gebucht seien und man unsere Tickets gestrichen habe. Nach der Hilfe der Pfadfinder aus Santa Cruz und telefonischer Hilfe aus Sucre konnten wir dann nach 6 Stunden Wartezeit 20 Minuten vor dem Start noch alle in der Maschine unterbringen und zur letzten Etappe nach Sucre starten. Allerdings war in diesem Durcheinander über die Hälfte unseres Gepäcks zurückgeblieben und sollte uns erst am nächsten Tag erreichen.
Herzlicher EmpfangIn Sucre erfolgte dann am Flughafen ein überwältigender und vor allem herzlicher Empfang durch die Pfadfinder mit vielen Gruppenkindern und einer Blaskapelle. Am Abend gab es dann nach dem Abendessen den offiziellen Empfang und anschließend eine gemütliche Runde. In den nächsten Tagen machten wir uns - begleitet von den Bolivianern - daran, Sucre kennen zu lernen. Dabei interessierten uns natürlich nicht nur die Sehenswürdigkeiten, sondern auch die sozialen und infrastrukturellen Einrichtungen. Von den geschichtlichen Sehenswürdigkeiten sind hier die Casa de Libertad und die Ricoletta zu erwähnen. In der Casa de Libertad wurde der Staat Bolivien gegründet und sind heute wichtige geschichtliche Gegenstände Boliviens ausgestellt. Wir konnten dort außerdem eine Ausstellung zum Chaco-Krieg besuchen. An diesem Tag bekamen wir auch noch die Gelegenheit, ein neues Museum in Sucre zu besuchen, in dem die verschieden Landschaften Boliviens mit ihren Häusern und typischen Pflanzen vorgestellt werden. Es richtet sich vor allem an Kinder, die dadurch ihre Heimat Bolivien besser kennen lernen sollen. Außerhalb von Sucre gibt es die Glorietta - ein kleines Schloss, das bereits von der Delegation von vor vier Jahren besucht wurde. Wie in der Stadt selber, fiel den Teilnehmern, die schon vor 4 Jahren in Bolivien waren, auch hier auf, dass die Bolivianer beginnen, etwas für den Erhalt ihrer Baudenkmäler zu tun. Weitere kulturelle Höhepunkte waren Besuche im Dom und dem dazugehörigen Museum, die uns äußerst interessante und schöne Kulturgüter zeigten.
Besuch sozialer EinrichtungenNatürlich kamen auch die sozialen Einrichtungen nicht zu kurz, da auch hier ein Schwerpunkt unserer Interessen lag. Neben der Ciudad Joven, besser bekannt als Psychopaedagogico (Behinderteneinrichtung), wurden auch das Gefängnis, eine Blindenwerkstatt und die Hutfabrik, wir wollten natürlich wissen wie unsere Hüte entstehen, besichtigt. Das Psychopaedagogico hatten wir bereits vor 4 Jahren kennen gelernt und konnten mit Freude feststellen, dass es hier eine positive Entwicklung gibt. Derweil hat die Blindenwerkstatt Zukunftssorgen, da die Christoffel Blindenmission sich hier gerne zurückziehen möchte und das Projekt nun nach vielen Jahren Förderung auf eigenen wirtschaftlichen Beinen stehen soll. Dies sind nur einige der Besuchspunkte, die ihr an anderer Stelle noch ausführlich nachlesen könnt.
Gemeinsame GruppentreffenIn den Abendstunden waren wir bei den verschieden Gruppen in Sucre eingeladen, um die Leiterunden kennen zu lernen. Dies waren für alle sehr interessante Abende, da wir viel über die Arbeit der Gruppen in Bolivien lernen konnten. In diesem Zusammenhang war das gemeinsame Zeltlager mit den Bolivianer außerhalb von Sucre ein eindeutiger Höhepunkt. Hier konnten wir außerdem den Bolivianern zeigen, wie die mitgebrachte Jurte aufgebaut wird, was allerdings ohne Dreibein, bei kleinen Bäumen und steinhartem Boden, ein schwieriges Unterfangen ist. Der anschließende Lagerfeuerabend wird aber jedem in bester Erinnerung bleiben. Erst am nächsten Tag konnte dann die Jurte mit einem Gottesdienst zum ersten Mal genutzt werden, da aufgrund der geringen Außentemperaturen keiner im Zelt schlafen wollte, sondern lieber die Räume in den umliegenden Gebäuden nutzte. Der Ausflug schloss mit einem ausführlichem Grillen.
10 Jahre PartnerschaftIn Sucre kam es dann noch zu einem feierlichen Moment, als wir vom District zur Feierstunde anlässlich dem 10jährigen Jubiläum der Partnerschaft eingeladen wurden. Dabei wurde Karl-Heinz, als Vertreter des Diözesanvorstandes, eine Erinnerungsplakette für das Büro in Mainz überreicht.
Gemeinsam unterwegsDas umfangreiche Programm der ersten Tage hinterließ auch in der Delegation seine Spuren und der eine oder andere Teilnehmer musste für ein par Tage eine Ruhepause einlegen, denn Programm, Zeitverschiebung und die dünne Luft (2800 m) forderten ihren Tribut. Aber nach 9 Tagen waren alle wieder fit für den nächsten Teil unserer Fahrt, die gemeinsame Rundreise mit den Bolivianern durch das Land. Dabei bekamen wir es gleich auf der ersten Etappe mit einigen Extremen zu tun, denn wir fuhren nach Potosi. Diese interessante Stadt liegt auf 4000 m Höhe und begrüßte uns mit -10° C. Im Hotel gab es nur einen Ofen, der im Foyer stand, dafür lieferten aber die Duschen heißes Wasser. Während wir am ersten Tag die Stadt und dort die Casa de Moneda, die alte Münze, besichtigten, mussten wir am Nachmittag den Bolivianern die Zeit geben Fußball zu schauen, da Bolivien gegen Paraguay um die WM- Qualifikation kämpfte (0:0). Um etwas gegen die Kälte und die Trauer um den verpassten Sieg zu tun, haben wir den Bolivianern gezeigt, wie man einen steifen Grog kocht. Ich glaube, das Hotelpersonal fragt sich heute noch, wie man mit heißem Wasser soviel Spaß haben kann.
In 4500 m Höhe unter die ErdeÄußerst beeindruckend war auch die Besichtigung eines Bergwerks am nächsten Tag, das oberhalb der Stadt im 5000 m hohen Cierro Rico (reicher Berg) liegt. Wer sich dort umschaut und die Arbeitsbedingungen mit deutschen Bergwerken vergleicht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Zitat Martin Schnaubelt: "Wenn ich das hier sehe, dann weiß ich, dass es manche Vorschriften der Berufsgenossenschaft in Deutschland nicht umsonst gibt!" Nachdem wir noch in einer Thermalquelle außerhalb von Potosi schwimmen waren, ging es mit dem Nachtbus nach La Paz.
Großstadt auf 1800 bis 4000 mLa Paz ist eine faszinierende Stadt. Der Stadtteil El Alto liegt auf der Hochebene in 4000 m und ist heute eine selbständige Verwaltungseinheit. Über eine Abbruchkante steigt man dann hinunter nach La Paz, dessen beste Stadtviertel auf ca. 1800 m liegen. Wir kamen dort in den frühen Morgenstunden nach ca. 9 Stunden Busfahrt an und bezogen das Hotel. In La Paz erwartete uns ein reichhaltiges Programm, das die Bolivianer vorbereitet hatten. Wir Deutschen mussten in diesen Tagen dann einiges über bolivianische Organisation und die Unterschiede zu unserer Art lernen. Auf der anderen Seite waren es aber auch die Bolivianer, die neue Einsichten gewannen. Daher musste das Programm an einigen Stellen kurzfristig verändert werden und durch die Improvisation lernten wir die Ciudad de Ninos, ein Waisenhaus, kennen, dessen Arbeit uns sehr gut gefiel. Hier werden bereits Kleinkinder betreut, aber vor allem auch Straßenkinder aufgenommen. Die Kinder erhalten dort nicht nur Unterkunft und Verpflegung, sondern auch eine berufliche Ausbildung in den verschieden Handwerksberufen.Durch Mario Lino, einem ehemaligen Pfadfinder aus Cochabamba, erhielten wir die Möglichkeit, Parlament und Präsidentenpalast zu besichtigen. Beide Gebäude beeindruckten durch ihre Architektur und den gepflegten Zustand. Insbesondere die Führung im Präsidentenpalast war sehr interessant, da der Führer uns auch die Geschichte des Hauses auf "besondere Art" näher brachte, indem er erwähnte, welcher Präsident an welchem Tisch erschossen oder aus welchem Fenster gestürzt wurde. Anschließend gab es noch ein ausführliches Gespräch mit Mario Lino zur politischen Situation in Bolivien, das sehr interessant war, allerdings uns insofern überraschte, als auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zukunft Boliviens die Antwort kam: "Es gibt keine!"
Titicacasee und YungasLa Paz wurde von einem Teil der Gruppe genutzt um den Titicacasee zu besuchen, derweil der Rest die Fahrt in die Yungas vorzog. Allerdings konnte wegen eines Erdrutsches die Fahrt in die Yungas nicht wie geplant durchgeführt werden, und es musste auf eine alternative Route ausgewichen werden, was aber auch eine interessante Tour war. Danach hieß es von La Paz Abschied nehmen, um das nächste Ziel Cochabamba zu erreichen. Dazu war Wecken um 6:00 angesagt, damit erst einmal geklärt werden konnte, ob der Bus überhaupt fährt, denn es waren Straßenblockaden der Fernfahrer angekündigt. Der Bus fuhr und wir hatten eine wunderschöne Tagestour vor uns.
CochabambaIn Cochabamba waren wir im Nationalzentrum untergebracht. Neben der Lagune war der einzige touristische Punkt die Christusstatue über Cochabamba, die größer sein soll als die in Rio. Das Nationalzentrum selber ist in einem allgemein befriedigenden Zustand, zeigt aber auch an einigen Stellen Renovierungsbedarf und ist im Moment durch den Anbau der Bibliothek geprägt. Wir konnten damit die ersten Erfolge der Aktion Movida Bolivia bewundern und hier auch German Roccha, den Nationalvorsitzenden der Asociación de Scouts de Bolivia (ASB), kennen lernen, der uns sehr genau die Situation des Verbandes schilderte. Die einzelnen Punkte wurden dann noch in einer Diskussion vertieft. In Cochabamba besuchten wir das Projekt Tiquipaya Wasi. Wie in La Paz, wird auch hier Straßenkindern die Chance einer Ausbildung und Unterkunft gegeben. Dieses Projekt ist auf Initiative eines Deutschen entstanden und beeindruckte durch die Ausstattung der Werkstätten, die sich mit jeder Lehrwerkstatt in Deutschland messen kann. Wie jede dieser sozialen Einrichtungen in Bolivien ist auch diese auf Hilfe aus dem Ausland und private Spenden angewiesen. Vor den Toren von Cochabamba konnten wir dann die Landvilla des Zinnbarons Patiño besichtigen, die ein kleines Schloss und sehr luxuriös ausgestattet ist. In der Stadt wurden noch der Markt und die Stadtvilla von Portillio erkundet, denn am nächsten Tag ging es in den Chapare.
Eine Region im ÜberlebenskampfFür uns Deutsche trotzdem eine Erholung, denn wir kamen mal wieder auf ein Höhe von ca. 600 m, was nach der dünnen Luft einfach gut tat. Interessant war der Besuch in einem kleinem Naturkundemuseum, das uns den Lebensraum "tropischer Wald" näherbrachte. Dieses Museum wird von einem Bayern geleitet, und wir hatten somit eine abwechslungsreiche Führung auf deutsch. In Cochabamba war bereits Yolanda zu uns gestoßen, die das Programm im Chapare organisiert hatte. Hier in Villa Tunari lernten wir eine Bananenkooperative kennen, die im Rahmen der landwirtschaftlichen Umstellungsprojekte ihre Produktion von Coca auf Bananen umgestellt hatte. Nach einem ausführlichen Gespräch, in dem uns Bürgermeister und Vertreter des Gemeinderates über die Situation vor Ort informierten, wurde uns ein zerstörtes Cocafeld gezeigt, das nach den gesetzlichen Bestimmungen hätte stehen bleiben dürfen und dennoch von den Behörden vernichtet wurde.Als Alternative zum Cocaanbau wurde uns dann eine Bananenpflanzung gezeigt. Die Bananenpflanze hat aber den Nachteil, dass sie im Gegensatz zur Coca wesentlich pflegeintensiver ist und nicht wie die Coca mehrere Ernten im Jahr liefert. Außerdem wurde zwar erfolgreich auf die Bananenanpflanzung umgestellt, aber übersehen, dass die Bananen an Kunden verkauft werden müssen, die nicht vor Ort sitzen. Für die Bananen gibt es deshalb keine gesicherten Absatzmärkte, was die sozialen Probleme in diesem Gebiet weiter verstärkt. Der Bananenanbau ist also keine wirkliche Alternative zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Menschen im Chapare. Zum Schluss des Besuchs wurden wir noch auf die mangelhafte Situation der Schule hingewiesen, die regelmäßig vom Hochwasser überschwemmt wird und konkret um Mittel für den Umzug der Schule gebeten. Ein entsprechender Brief wurde uns übergeben und wird nach Einholung genauerer Informationen von unserem Arbeitskreis an deutsche Hilfsorganisationen weitergeleitet. Mit einem kleinen "Busmarathon" mit Nachtfahrt, um wieder nach Sucre zu kommen, denn am 6. August ist in Bolivien Nationalfeiertag, erreichten wir Sucre.
NationalfeiertagDurch die Stadt zog sich dann den ganzen Tag ein Umzug, in dem alle Vereine, öffentlichen Einrichtungen und Militär an der Casa de Libertad und dem Staatspräsidenten vorbeizogen. Die Bolivianer hatten natürlich erst den Wunsch, dass wir im Umzug mitlaufen, ermöglichten uns aber dann, den Umzug von außen anzuschauen, um möglichst viel zu sehen. Der Tag schloss mit einem Spielnachmittag mit den Kindern aus den verschiedenen Stämmen und einer großen Party, auf der einige Delegationsmitglieder ungeahnte Leistungen beim Tanzen vollbrachten und andere die Gefahren von bolivianischen Mixgetränken erkundeten, ab. Die letzten Tage waren mit Diskussionen und Reflexionen angefüllt, die die weiteren Schritte der Partnerschaft und zukünftige Projekte betrafen.Es war für alle eine großartige Sache, jeder von uns hat nicht nur viel erlebt, sondern auch gelernt. Für unsere Pfadfinderarbeit ist Entwicklungshilfe und der Kontakt in andere Länder immer ein grundsätzlicher Baustein. Bolivien zu erleben mit der Gastfreundschaft unserer Freunde und der herzlichen Aufnahme, war sehr beeindruckend. Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die durch ihre Hilfe diese Fahrt ermöglicht haben. Weiterführende Links
Michael Hommel, Referent für Entwicklungsfragen und Bolivienpartnerschaft Letzte Aktualisierung: 10-06-2005 © DPSG DV Mainz 2016 |