Der kleine Pfadfinder

(aus: Schlaglichter Nr.64/04)

Gedankensprünge

Eines Tages machte sich der kleine Pfadfinder sich auf, um die Freiheit zu finden. Er hatte schon viel davon gehört, doch so richtig vorstellen konnte er sie sich nicht.

Als er an einem Gebäude mit einem schweren Eisentor vorbeikam, blieb er neugierig stehen. Dahinter sah er viele Menschen, die sich einfach nur auf dem großen kahlen Hof aufhielten. Einige standen nur rum und unterhielten sich, andere saßen nur apathisch da. „Hallo, könnt ihr mir sagen was Freiheit ist?“ „Freiheit?“, meinte ein Insasse, „Du bist frei, denn du kannst dich vor den Gefängnismauern aufhalten, ich dagegen bin eingesperrt.“ „Warum darfst du nicht frei sein? Was hast du getan?“ „Ich hab jemanden seiner Freiheit beraubt und dafür musste auch ich jetzt meine Freiheit einbüßen.“ Der kleine Pfadfinder bedankte sich für die Antwort und zog weiter.

Irgendwo erreichte er eine abgelegene Villa. Alles war schön hergerichtet. Ein gepflegter Garten umzäunte das Prachtgebäude und den Pool. "Hier wohnen wirklich freie Menschen", dachte sich der kleine Pfadfinder. Im Garten sah er den Besitzer dieses Schmuckstückes und befragte auch ihn. "Ich und frei?! Ich habe jahrelang für dieses Grundstück hart gearbeitet und gespart. Dass es mir hier gefällt, steht außer Frage, aber du hast dir damit auch viele Verpflichtungen aufgebürgt. Merk dir eines: Wenn du die Freiheit hast deine Träume zu erfüllen, erkennst du früher oder später, dass du nicht die Dinge hast, sondern die Dinge dich besitzen. Du schränkst dir deine Freiheit dadurch auch ein.

Bei seinem nächsten Halt traf er eine alte Dame im Park. Sie saß zufrieden auf einer Bank und genoss die Sonnenstrahlen. Auch sie sprach er auf die Freiheit an. „Tja, weißt du vielleicht kann man die Freiheit mit dem Paradies vergleichen. Es gibt Menschen die dürfen sich an dem Paradies erfreuen und andere müssen dafür arbeiten, damit es das Paradies gibt. Ich hab 30 Jahre in einem Hotel gearbeitet und kann darüber viele Geschichten erzählen. Freiheit ist nicht immer so schön wie man sich es vorstellt. Doch eine genaue Definition von Freiheit kann ich dir gar nicht geben. Du empfindest sie in jeder Lebenslage und in jedem Alter anders. Freiheit lässt sich nicht in Schranken weisen. Gerade das macht vielleicht die Freiheit so besonders und frei!“

Schweigend und in Gedanken versunken ging der kleine Pfadfinder zurück nach Hause.

Nach: „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupery

Conny Schmitt, MdR

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